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„Depression ist ein hässliches Wort. Ich möchte die Krankheit aber nicht mehr verbergen.."
Sebastian Deisler, ehem. Profifußballer
Das wird schon wieder… reiß Dich einfach ein bisschen zusammen… Aussagen, die man leider viel zu häufig hört, wenn man über psychische Erkrankungen spricht. Im Rahmen einer Befragung aus dem Jahr 2019 mit 5.000 Teilnehmenden zwischen 18 und 69 Jahren stuften sogar 21% der Befragten „sich zusammenzureißen“ als sehr oder zumindest eher geeignete Hilfe gegen Depressionen ein. Und das obwohl das Thema Depression mittlerweile deutlich weniger im Verborgenen liegt also noch 2003, als Sebastian Deisler das obenstehende Zitat tätigte.
Bei psychischen Erkrankungen denken die meisten Menschen zuerst an Burnout oder Depression. Es stimmt zwar, dass Depressionen einen bedeutsamen Anteil an psychischen Erkrankungen ausmachen, jedoch ist dies nur ein Störungsbild von vielen, wenn auch das häufigste in Bezug auf Arbeitsunfähigkeit. Schon bei 21% der Menschen in Deutschland wurde bereits einmal die Diagnose Depression gestellt, zu diesem Ergebnis kommt das Deutschland-Barometer Depression 2019. Da diese Krankheit jedoch oft verdrängt wird oder auch von Hausärzten nicht erkannt wird, liegt die Dunkelziffer noch höher. So wird die Lebenszeitprävalenz von Depressionen, d.h. die Wahrscheinlichkeit im Laufe des Lebens an einer Störung zu erkranken, bei Männern zwischen 10 und 15%, bei Frauen sogar auf einen Bereich von etwa 25% geschätzt. Psychische Erkrankungen allein auf Depressionen zu reduzieren wäre allerdings in etwa so, als würde man körperliche Erkrankungen auf Atemwegserkrankungen reduzieren. Ein zweiter, häufig vertretener Störungsbereich findet sich zum Beispiel im Feld der Angststörungen. Hierzu zählen bspw. die Agoraphobie (die Angst vor Situationen, aus denen man nur schwer entkommen kann, bspw. Aufzüge oder Menschenmengen), Posttraumatischen Belastungsstörung oder Panikstörung. Hier wird die Lebenszeitprävalenz auf 10 bis 15% geschätzt. Hinzu kommen bspw. noch Abhängigkeitserkrankungen. Die wohl bekannteste in Bezug auf Abhängigkeit ist die Alkoholsucht und zeigt ebenfalls hohe Lebenszeitprävalenzen, bei Männern ca. 10-15 % und bei Frauen ca. 5-8 %. Schaut man nun auf seine eigene Organisation, kann man also grob schätzen, ob und wie häufig solche Krankheitsbilder auftreten.
Psychische Erkrankungen werden gesellschaftlich teilweise bis heute noch verharmlost oder sind ein Tabu-Thema und dabei ist die Wahrscheinlichkeit im Leben an einer depressiven Störung zu erkranken gar nicht mal so niedrig. Der Gesundheitsreport der BKK führt depressive Episoden bei der Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage auf den dritten Platz für 2018.
Eine Depression kann dabei in jedem Alter auftreten. Das mittlere Erstauftretungsalter liegt allerdings bei 25-35 Jahren. Depressionen sind episodisch und verlaufen phasenhaft. Die Phasendauer bei Ersterkrankung liegt meist bei acht bis zwölf Wochen, wobei bei weiteren Episoden die Phasendauer und das Chronizitätsrisiko steigt. Lediglich ein vergleichsweise kleiner Anteil der Betroffenen erlebt nur eine Phase einer Depression; bei einem Drittel finden sich wiederkehrende Episoden und bei einem weiteren Drittel kann die Depression auch bei einer Therapie in eine chronische Erkrankung münden. Dennoch gehen Menschen oftmals davon aus, dass man sich von einer psychischen Erkrankung genauso gut und schnell wieder erholt wie von einem harmlosen Schnupfen. Dieses Denken spiegelt sich in Umfrageergebnissen wieder, in denen ein Teil „sich zusammenreißen“ fälschlicherweise als Hilfsmittel einstufen. Ein wirklich geeignetes Hilfsmittel ist hierbei allerdings eher der Gang zum Psychotherapeuten. Zu beachten ist dabei, dass das spontane Abklingen einer psychischen Störung wie das der Agoraphobie und Panikstörung selten ist. Bei einer Nichtbehandlung der Erkrankung kommt es oft zu einem chronischen Verlauf und zusätzlich steigt das Risiko für die Entwicklung anderer Angststörungen, Depressionen und Substanzabhängigkeiten.
Anstatt das Problem aktiv zu behandeln greifen Menschen jedoch auch oft auf Alkohol- und Schmerzmittel zurück und versuchen durch übermäßigen Konsum die negativen Gefühle zu beseitigen und positive Gefühle zu erzeugen.
Da Alkohol und Schmerzmittel irgendwann die negativen Gefühle nicht mehr ausreichend betäuben, ziehen einige Menschen sogar Suizid in Betracht. Aber auch hier fallen die tatsächlichen Zahlen deutlich höher aus, als man gemeinhin annimmt. Weltweit begehen jährlich ca. 1 Mio. Menschen einen Suizid, allein in Deutschland sind es ca. 10.000. Bei 90% aller Suizide liegen dabei psychische Erkrankungen im engeren Sinne vor.
Seit dem Jahr 2000 kam es im Arbeitskontext aufgrund von psychischen Störungen zu einem Anstieg der Fehlzeiten um ca. 90%. Für das Jahr 2018 wies die Techniker Krankenkasse in ihrem jährlichen Gesundheitsreport sogar das erste Mal die meisten Fehltage für psychische Erkrankungen aus. Zwar ist die Anzahl der Fälle aufgrund psychischer Erkrankungen vergleichsweise gering, jedoch gehen diese dann mit hohen Ausfallzeiten einher. Die BKK berechnete für das gleiche Jahr eine durchschnittliche Ausfallzeit mit einer psychischen Störung von durchschnittlich 37 Tagen.
Um die Umstände dahinter genauer verstehen zu können, sollte ein grundlegendes Verständnis von psychischen Störungen vorhanden sein. Eine psychische Störung wird definiert „(…) als Syndrom, welches durch klinisch signifikante Störungen in den Kognitionen, in der Emotionsregulation und im Verhalten einer Person charakterisiert ist.“ (DSM-5) Daraus ergibt sich, dass die Wahrnehmung sowie die Verarbeitung von Situationen sehr individuell und unterschiedlich sind.
Wichtig ist bei psychischen Störungen, das Eingehen auf die psychischen Problemfelder. Die dabei auftretende Fürsorgepflicht kann dabei ggf. auch die Führungskraft betreffen.
Die Zahlen zeigen die Relevanz, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Psychische Erkrankungen sind ein immer häufiger auftretendes, allgegenwärtiges Thema im Arbeitskontext, wodurch eine Auseinandersetzung und Vorbereitung in dem Gebiet nicht nur sinnvoll sondern notwendig ist. Zumal ungünstige Bewältigungsstrategien und Vermeidungen der Betroffenen die Beschwerden verschlimmern können und es – abseits reiner Fehlzeiten – zu einer Vielzahl von negativen Auswirkungen auf das Unternehmen kommen kann.
Mögliche Ansatzpunkte können daher sein:
Je später erst seitens des Arbeitgebers eingegriffen wird, desto schwerer wiegen die Kosten. So sind die Kosten bei einer Rehabilitation wesentlich höher als bei der Gesundheitsförderung oder Prävention.
Als psychologische Organisationsberatung, bietet die Hazelnut Consulting GmbH Seminare und Vorträge zu den Themenfeldern psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz. Ebenso begleiten wir Organisationen bei der Implementierung und Entwicklung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements, in dessen Rahmen auf die Entstehung sowie psychische Problemfelder eingegangen wird. Natürlich tragen auch wir der Corona-Situation Rechnung und führen viele Themen ebenso in Form von Online-Trainings durch - sprechen Sie uns gerne an.
Sollten Sie den Verdacht haben, dass ein Mitarbeitender aus ihrer Organisation Probleme in diesen Bereichen hat, stehen Ihnen für eine Beratung zur Seite.
Literatur:
Bloom, N., Liang, J., Roberts, J. & Ying, Z. J. (2015). Does working from home work? Evidence from a chinese experiment. Stanford Universität, Stanford, California.
Falkai, P., & Wittchen, H.-U. (2018). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5. Hogrefe.
Knieps, F., Pfaff (Hrsg.), H., & 2019, B. G. (2019). Psychische Gesundheit und Arbeit - Zahlen, Daten, Fakten. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Vertragsgesellschaft.
Stiftung Deutsche Depressions Hilfe. (2019). Deutschland-Barometer Depression 2019. Berlin.
Techniker Krankenkasse . (2019). Gesundheitsreport 2019 - Pflegefall Pflegebranche? So geht's Deutschlands Pflegekräfte. Hamburg.