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„Not all psychopaths are in prison. Some are in the Boardroom.“
Hare, R. D. (2002). The predators among us.
In Zeiten von politischen Führungspersonen wie Trump, Putin, Erdogan oder Duterte liest man in den Medien immer wieder von Begriffen wie Narzissmus oder Psychopathie. Insbesondere die zweite Kategorie bringen viele dabei automatisch mit Roman- und Filmfiguren wie Hannibal Lecter aus dem Schweigen der Lämmer oder Norman Bates als zentrale Figur des Hitchcock Klassikers Psycho in Verbindung. Diese Film- und Romanfiguren stellen jedoch nur einen sehr speziellen, extremen Teil des Spektrums der Psychopathie dar. Die genannten Figuren repräsentieren nur einen sehr kleinen Teil von dem, was man im Alltag unter Persönlichkeitseigenschaften wie Psychopathie oder Narzissmus versteht.
Beide Persönlichkeitsmerkmale – Psychopathie und Narzissmus – lassen sich gemeinsam mit Machiavellismus einem populären Konzept der Psychologie zuordnen, der dunklen Triade. Alle drei Merkmale weisen hohe Zusammenhänge sowie Überschneidungen auf und können gemeinsam eine destruktive Persönlichkeit bilden, welche nicht zwangsläufig zu Konflikten mit dem Gesetz führt. In vielen Fällen ergeben sich jedoch Probleme in der Interaktion. Fokussiert man sich auf den destruktiven Charakter der Merkmale lassen sich als daraus resultierende Verhaltensweise exemplarisch nennen:
Insgesamt zeigen sich bei Untergebenen von solchen Vorgesetzten häufig erhöhte Stresslevel als Folge der Interaktionen bzw. des Führungsverhaltens. Für Organisationen ist das Stressempfinden jedoch nur ein Problemfeld, da häufig auch hohe Krankenstände, eine vermehrte Fluktuation und andere Folgen einhergehen.
Den gemeinsamen Kern bilden verschiedene negative Merkmale aller drei Konstrukte, jedes der drei Persönlichkeitseigenschaften zeichnet sich jedoch auch durch spezielle Merkmale aus.
Psychopathie wird von einigen Forschern als das dunkelste der dunklen Triade beschrieben. Robert D. Hare als einer der führenden Psychopathieforscher bezeichnet Psychopathen sogar als „soziale Raubtiere“. Charakteristisch für Psychopathie sind Merkmale wie fehlende Empathie, Verantwortungslosigkeit, Risikobereitschaft, Impulsivität, Gefühlskälte oder auch das Fehlen von Angst. Dabei muss man verschiedene Arten von Psychopathen unterscheiden. Eine plakative Aufteilung lässt sich so bspw. zwischen klinischen Psychopathen (primäre Psychopathen) und „Unternehmenspsychopathen“ (sekundäre Psychopathen) vornehmen. Unternehmenspsychopathen zeigen ein geringeres Ausmaß an antisozialem Verhalten als klinische Psychopathen, zeichnen sich aber dennoch durch ein fehlendes Gewissen, eine geringe Empathie und manipulatives Verhalten aus. Bei primären Psychopathen findet sich zusätzlich eine ausgeprägte Verantwortungslosigkeit sowie eine begrenzte Selbstbeherrschung, welche häufig in aggressiven Handlungen mündet und so zu einer höhten Straffälligkeit führt, da gesellschaftliche und gesetzliche Normen überschritten werden.
Während man in der Bevölkerung lediglich von einer Quote von ca. 1 % an Psychopathen ausgeht, liegt dieser Wert bei Personen in hohen Managementpositionen mit 6 bis 10% um ein Vielfaches höher. Es ist insbesondere das Bedürfnis nach Anerkennung und Macht verbunden mit einem enormen Ehrgeiz beides zu erhalten, welche diese Personen in solche Positionen locken.
Bei der Beschreibung von Narzissten ergibt sich ein paradoxes Bild: ein selbstbewusstes, dominantes und extrovertiertes Auftreten, gepaart mit einem insgeheim negativen, instabilen Selbstbild. Narzissten streben nach einer positiven, anerkennenden Rückmeldung in Interaktionen und suchen nach Möglichkeiten diese zu bekommen. Hierfür bietet beispielsweise die mediale Welt eine ideale Plattform. Aber auch beruflicher Erfolg sorgt für die gewünschte Anerkennung. Versucht man Narzissten zu beschreiben, lassen sich Eigenschaften wie ein Mangel an Schuldgefühlen, Risikofreudigkeit oder die Fähigkeiten, Menschen zu lenken und zu manipulieren, nennen. Allerdings zeigen diese Personen teilweise auch charismatische Eigenschaften verbunden mit einem oberflächlichen Charme. Besonders bei unsicheren Gruppen bilden Narzissten passende Führungskräfte, da sie große Visionen und Ziele bieten, denen andere bereitwillig folgen. Schon 1986 stellte Jerrold M. Post fest, dass in Krisenzeiten Narzissten nicht nur förderlich sind, sondern notwendig sind.
Der dritte und am wenigsten bekannte Bestandteil – Machiavellismus – geht vom Namen auf den Philosophen Niccolò Machiavelli und beschreibt im Kern eine Machtpolitik mit allen Mitteln. Um dem Wunsch nach Macht nachzukommen wird besonders zum Mittel der Manipulation gegriffen. Machiavellisten werden häufig als distanziert, gefühlskalt, opportunistisch aber auch als ehrgeizig und intelligent beschrieben, jedoch mit einem Mangel an emotionaler Involviertheit. Im Kontrast zu den anderen beiden Merkmalen sind diese Menschen in der Regel sehr beherrscht und Risiken werden vermieden, solange sie nicht der Zielerreichung dienen.
Aber sollte jedem mit narzisstischen oder psychopathischen Tendenzen eine Therapie nahegelegt werden? Unsere Persönlichkeit prägt unser Verhalten, unseren Umgang mit anderen Menschen aber auch unsere Wahrnehmungen, Emotionen und Reaktionen. Jeder Mensch besitzt dabei bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die mehr oder weniger dominant sind, es existieren viele Graubereiche zwischen den Polen. Nicht jede ausgeprägte Persönlichkeit ist auch eine psychische Störung. Gleiches gilt auch für Psychopathie. Nicht jedem mit psychopathischen Tendenzen kann eine Persönlichkeitsstörung unterstellt werden. Ob solche Persönlichkeitstendenzen tatsächlich behandlungsbedürftig sind, hängt häufig von den speziellen Ausprägungen ab und ob sich dadurch Beeinträchtigungen ergeben. Paschen und Dihsmaier (2014) vertreten sogar die Auffassung, dass einige der polarisierendsten Persönlichkeiten der Geschichte, wie Hitler oder Stalin, von vielen Therapeuten nicht als behandlungsbedürftig eingestuft worden wären.
Tendenzen zu Psychopathie oder Narzissmus sind nicht per se als negativ zu werten, denn es muss eher betrachtet werden, wie sich diese Züge im Verhalten identifizieren lassen. Teilweise können die Bestandteile der dunklen Triade auch eine positive Wirkung haben, bspw. für den Karriereerfolg von Mitarbeitenden oder in Zeiten von Unsicherheit, so dass die dunkle Triade auch helle Seiten hat. Trotzdem sollte man die möglichen negativen Folgen sowohl für die Gesundheit der Beteiligten als auch für die Organisation nicht vernachlässigen.
Jeder interagiert täglich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen, Kollegen, Kunden, Mitarbeitenden, … Dabei beeinflusst nicht nur die Persönlichkeit des Gegenübers die Interaktion, sondern auch unsere eigenen Motive und Bedürfnisse prägen das Miteinander. Als psychologische Organisationsberatung überträgt die Hazelnut Consulting die Erkenntnisse der Persönlichkeitsforschung auf den organisationalen Kontext und hilft so, die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Persönlichkeiten zu fördern, die Kommunikation und Konfliktverhalten zu verbessern und das Führungsverhalten zu reflektieren.
Wenn Sie tiefer in das Themenfeld der destruktiven Persönlichkeiten eintauchen möchten, finden Sie hierzu einiges in unserem eLearning Dunkle Triade.
Literatur:
Blickle, G. & Schütte, N. (2017). Trait psychopathy, task performance, and counterproductive work behavior directed toward the organization. Personality and Individual Differences, 109, 225-231.
Hare, R. D. (2002). The predators among us. Keynote address. Canadian Police Association Annual General Meeting, St. John’s, Newfoundland and Labrador, August 27, 2002.
Küfner, A., Dufner, M. & Back, M. (2015). Das dreckige Dutzend und die Niederträchtigen Neun. Diagnostica, 61(2), 76-91.
Lingnau, V. & Dehne-Niemann, T. E. (2016). Vorsicht Psychopath: HR-Kennzahlen als Warnsignale. Controlling & Management Review, 60(2), 30-37.
Paschen, M. & Dihsmaier, E. (2014). Psychologie der Menschenführung. Wie Sie Führungsstärke und Autorität entwickeln. Berlin: Springer.
Volmer, J., Koch, I. K. & Göritz, A. S. (2016). The bright and dark sides of leaders' dark triad traits: Effects on subordinates' career success and well-being. Personality and Individual Differences, 101, 413-418.